George Minne und seine Jünglinge

Der belgische Künstler George Minne (1866 – 1941) war einer der bedeutendsten Bildhauer des Symbolismus um 1900. Er setzte sich in seinen Werken immer wieder mit der Gestalt von Jünglingen auseinander, die er meist kniend oder stehend, hager und mit verlängerten Gliedmaßen darstellt. Die Figuren bestechen durch ausdrucksvolle klare Linien und eine betonte Körperkontur, die an gotische und präraffaelitische Merkmale erinnern. Die oft spannungsvolle Gestik lässt die Skulpturen zum Symbol für menschliche Emotionen wie Trauer, Schmerz, Einsamkeit und Verzweiflung werden. Minne ist bekannt für seine idealisierten Darstellungen von inneren Konflikten und hat zahlreiche europäische Künstler beeinflusst.

Kniender Jüngling (1898 – 1906)

Der kniende Jüngling mit dem leicht überdimensionalen gesenkten Kopf, der in einer Selbstumarmung mit seinen Händen auf den Schultern dargestellt ist, ist die berühmteste Skulptur Minnes. In der Eingangshalle des Karl-Ernst-Osthaus Museums in Hagen steht ein Brunnen mit fünf identischen knienden Jünglingen, die Minne hierfür eigens angefertigt hat. In Minnes Heimatstadt Gent steht ebenfalls ein Brunnen mit Bronzeskulpturen aus seiner Serie von knienden Jünglingen.

Mit der inhaltlichen Offenheit der Skulptur schaffte der Künstler ein neues Menschenbild und wurde zu einem Vorreiter der Moderne. Kleinere Exemplare waren in Privatbesitz von Adele Bloch-Bauer und ihrem Ehemann Ferdinand. Diese wurden von den Nationalsozialisten beschlagnahmt, wurden aber endlich an Adeles Nichte Maria Altmann zurückgegeben und befinden sich heute im Besitz der Neuen Galerie in New York City.

Jüngling I

Um 1891 schuf Minne die Marmorskulptur eines Jünglings, der mit seinem hageren, nackten Körper ein Ypsilon bildet. Er steht in einer beunruhigenden Pose mit den Armen über dem Kopf gekreuzt und vermittelt damit die widersprüchlichen Emotionen und die Verwirrung der Jugend. Die schützend über seinem Kopf geschlossenen Arme deuten auf Angst und Scham hin. Dies steht im krassen Gegensatz zu dem Trotz, der durch die Stellung der Beine und die übrige Körperhaltung dargestellt wird. Die Figur ist charakteristisch für die symbolistische Kunst und spiegelt das Unterbewusste und Spirituelle wider.